No. 43

In einem kleinen Viertel Lissabons zieht ein Haus die Aufmerksamkeit auf sich. Versteckt hinter einem wild wuchernden Garten wirkt es, als hätte es die Zeit vergessen. Fenster hinter denen keiner mehr wohnt und Pflanzen, die sich ihren Raum zurückholen – alles scheint, als hätte das Leben dort eine Pause gemacht oder sich still verabschiedet.

Unweigerlich tauchen Fragen auf: Wer hat hier gelebt? Wohin sind die Menschen gegangen? Welche Erinnerungen schlummern noch zwischen den alten Mauern?

Was zunächst wie ein verlassener Ort erscheint, entpuppt sich als stiller Träger einer vielschichtigen Geschichte – einer Geschichte darüber, was Menschen prägt, antreibt und verbindet.

Eine zufällige Begegnung mit den ehemaligen Bewohnern – zwei Geschwistern – öffnete ein Fenster in die Vergangenheit. Ihre Erzählungen spannten einen Bogen von der Kindheit bis in die Gegenwart. Zwischen Lachen und Weinen wird deutlich, wie sehr die frühen Jahre uns Menschen prägen und wer man wird: welche Werte sich herausbilden, welche Eigenschaften sichtbar werden, welche Stärken man entwickelt – und welche Realität daraus entsteht.

In diesem Garten steckt Wachstum und Vergänglichkeit. Dieser Garten ist eine Analogie von Anfang und  Ende.

Nur so können wir Zeit begreifen.

Was wir als junge Menschen riesig und überwältigend finden, kommt uns als Erwachsene dann klein und entzaubert vor. Was besonders war, wird alltäglich. Was früher zuhause war wird nun verkauft. Wie so oft ist es eine Geschichte über Familie – den Schmelztiegel des Lebens, die Ursuppe unserer tiefsten Gefühle, die uns bis ins Erwachsenenalter begleiten.

Kurz bevor das Haus verkauft wird und die Geschichte damit endet gehen Clothilde und Gui noch einmal mit mir in den Garten ihrer Kindheit und erzählen mir ihre Geschichte.